IAA 2025: Das harte Rennen ums schnelle Laden – c´t

Oliver Zipse, BMW bei der Vorstellung des iX3
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Lange Ladepausen sind ein Grund, warum Verbrennerkunden nicht zum E-Auto greifen. Doch der Ladestopp der Zukunft soll nicht länger als ein Tankstopp dauern.

Der Stolz war Oliver Zipse anzusehen. Der BMW-Chef präsentierte Anfang September nach vier Jahren Entwicklungsarbeit das erste Modell der „Neuen Klasse“ in einem Münchner TV-Studio. Der iX3 ist ein SUV, das bei BMW SAV (Sports Activity Vehicle) heißt. Alle folgenden E-Modelle der Bayern werden Elemente der Plattform übernehmen. Bei der Präsentation gewährte Zipse einen kurzen Blick auf eine noch getarnte 3er-Limousine.

Die Ingenieure haben bei der Neuen Klasse fast alles überarbeitet. Man verabschiedet sich vom iDrive-Konzept mit Drehen und Drücken eines Rades. Das neue Projektionskonzept, bestehend aus einem verbesserten Head-up-Display und der Panoramic-Vision-Leiste unterhalb der Frontscheibe, steht im Zentrum des neuen Bedienkonzepts. Die E-Motoren wurden verbessert. Bei der Batterie wechselte BMW zu zylindrischen Zellen, die ohne Modulverpackung im Batterierahmen stehen. Damit wird die Batterie zum strukturellen Element des Fahrzeugs. Das 800-Volt-System ermöglicht Ladeleistungen bis 400 Kilowatt. In 21 Minuten lädt der iX3 so von 10 bis 80 Prozent. Die Erfahrung von Tank- und Ladestopp soll sich damit deutlich annähern.

BMW iX3

Der zweite neue elektrische Hoffnungsträger der deutschen Autoindustrie lädt in vergleichbarer Zeit: Der Mercedes-Benz GLC schafft es in 22 Minuten von 10 bis 80 Prozent. Hier liegt die maximale Ladeleistung bei 330 Kilowatt Gleichstrom. Die fast identische Ladedauer erklärt sich durch eine kleinere Batterie. Während BMW beim iX3 auf 108 kWh setzt, stattet Mercedes-Benz den GLC mit 94 kWh aus.

Um international mithalten zu können, war außerdem ein Wechsel der Rechnerarchitektur notwendig. Tesla hat es mit einem zentralen Rechner bereits vorgemacht, inzwischen spricht man in der Autobranche vom Software Defined Vehicle: weg von einer Vielzahl von Steuergeräten, hin zu einer Zonenarchitektur. Das Auto wird sowohl bei BMWs Neuer Klasse als auch bei der Mercedes-Benz Electric Architecture Medium (MB.EA-M) in mehrere Zonen unterteilt.

Sogenannte Zone Controller sammeln und verarbeiten Informationen von Sensoren und Komponenten wie Bremsen, Scheinwerfern oder Fensterhebern. Zusätzlich sind die Zone Controller über Datenkabel mit je einem leistungsstarken Rechner verbunden. Das spart beim Kabelbaum. BMW und Mercedes-Benz teilen das Fahrzeug in vier Zonen, die jeweils Funktionen für Fahren und Laden, Assistenzsysteme, Infotainment sowie Klima und Beleuchtung steuern. Die Architektur beschleunigt nicht nur die Berechnung und Übertragung von Befehlen, sie ermöglicht über Softwareupdates auch neue Funktionen.

Ob die Fahrer der beiden Modelle die Verbesserungen der Architektur im Alltag spüren, muss sich zeigen. Die schnellere Ladeleistung erleben sie dagegen unmittelbar in Form kürzerer Ladestopps. Darum setzen auch etliche chinesische Autohersteller auf hohe Ladeleistungen. Xpeng bietet schon seit einer Weile das Premium-SUV G9 an. Der Hersteller hat eine überarbeitete Version mit einer Lithium-Eisenphosphat-Batterie (LFP) mit 92,2 kWh präsentiert. Das Besondere: Die maximale Ladeleistung liegt bei 525 Kilowatt. In zwölf Minuten soll das E-Auto von 10 bis 80 Prozent laden.

Xpeng G9 am Schnelllader

Bei einer Testfahrt in Bayern konnten wir das nicht überprüfen, denn die High Power Charger (HPC) im öffentlichen Raum liefern lediglich bis zu 400 Kilowatt. Wir fuhren den Testwagen bis auf neun Prozent leer und schlossen ihn an einen HYC-400-Lader von Alpitronic an. In der Spitze stieg die Ladeleistung dort auf 375 Kilowatt. In 17 Minuten luden wir an einem sommerlichen Tag von 10 bis 80 Prozent. Ein Werbevideo des Herstellers zeigt im Maximum 446 Kilowatt an einer Versuchsladesäule von Ionity, die bis zu 600 Kilowatt liefert. Somit bleiben die 525 Kilowatt ein Laborwert, der nur unter idealen Bedingungen erreicht wird. Doch selbst 446 Kilowatt dürften der aktuelle Höchstwert bei elektrischen Serienfahrzeugen in Deutschland sein.

Der Hersteller Xpeng, mit dem Volkswagen in China bei der Fahrzeugentwicklung kooperiert, spricht von einer 5C-Batterie. Der C-Koeffizient beschreibt die Ladegeschwindigkeit einer Batterie pro Stunde (in Kilowatt, kW) im Verhältnis zur Speicherkapazität (in kWh). Grob gerechnet ist der Wert der maximalen Ladeleistung beim G9 fünfmal so hoch wie der der Batteriespeicherkapazität. Bei den meisten Serienfahrzeugen liegt der Wert aktuell bei 2C. Mit ihren neuen Plattformen heben BMW und Mercedes ihn auf 3,7 respektive 3,5. Die Entwicklung wird auch zur Herausforderung für die Ladeanbieter. Je höher die Ladeleistung, desto höher fallen Kosten für Betrieb und Netzanschluss aus.

Das hält den chinesischen Autohersteller Build Your Dreams (BYD) nicht davon ab, ein eigenes Schnellladenetz aufzubauen. BYD will in Deutschland Ladestandorte mit so genannten Flash Chargern ausstatten. Die gibt es in drei Leistungsstufen, die höchste liegt bei 1000 Kilowatt. Für das Megawatt-Laden benötigen die Modelle eine neue Blade-Batteriegeneration von BYD mit besonders leistungsfähigen Kühlplatten. Um die hohe Ladeleistung aufrechtzuerhalten, muss die Wärme zügig aus der Batterie geleitet werden.

Bei einer öffentlichen Vorführung zeigte BYD, wie die Ladeleistung eines BYD Tang am Flash Charger auf 1003 Kilowatt steigt. Geladen wird mit nur einem Stecker. In 11,5 Minuten soll die 109-kWh-Batterie von 10 bis 80 Prozent laden. Innerhalb von fünf Minuten lädt das E-Auto 400 km Reichweite nach. Somit erreicht BYD grob gerechnet einen Wert von 10C. Die Parität von Lade- und Tankstopp ist nicht mehr weit entfernt.

Xpeng G9

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