BMW iX3: Revolution unter der Haube – Automobilindustrie

BMW iX3
Automobil Industrie

Mit dem neuen iX3 leitet BMW die Ära der „Neuen Klasse“ ein. Das E-SUV ist mehr als ein neues Modell – es ist der technische Prototyp für die gesamte nächste Fahrzeuggeneration. Doch der Wurf muss sitzen.

Bei der ersten „Neuen Klasse“ in den 1960er Jahren ging es ums Überleben des Herstellers. So dramatisch ist es bei der jetzigen Neuen Klasse nicht, doch CEO Oliver Zipse fährt ein hohes Risiko. Bis 2027 sind 40 neue Modelle sowie Updates geplant, die Bedienkonzept und Teile der E/E-Architektur der neuen Plattform übernehmen. Sie steckt in allen kommenden Autos, egal mit welchem Antrieb. Sollte das bei den Kunden nicht ankommen, hat BMW ein Problem.

Um Enttäuschungen vorzubeugen, kommt das erste Modell mit beeindruckenden Werten für ein E-Auto: bis zu 800 km Reichweite, bis zu 400 kW Ladeleistung und bis zu 210 km/h schnell. Der iX3 50 xDrive setzt auf Allradantrieb mit 345 kW Systemleistung und 645 Nm Drehmoment. In 4,9 Sekunden ist das 4,78 m lange SUV auf 100 km/h. BMW spricht von der sechsten Generation seines E-Antriebs, der Kombination aus Motoren und Batterie. Bei beiden Motoren verzichtet der Hersteller auf den Einsatz Seltener Erden für Dauermagneten. Im Heck arbeitet ein fremderregter Synchronmotor und in der Front ein Asynchronmotor. Bei beiden wird das Magnetfeld im Stator durch elektrische Induktion bzw. Schleifringe erzeugt.

BMW-CEO Oliver Zipse bei der Präsentation im Vorfeld der IAA 2025 in München

Rundzellen für eine höhere Energiedichte

Bei der Batterie wechselt BMW erstmals zu zylindrischen Zellen mit 46 mm Durchmesser und 95 mm Höhe. Die NMC-Rundzellen stehen ohne Unterteilung in Module innerhalb des Batterierahmens (Cell to Pack). Das verschlossene Batteriepaket bildet ein strukturelles Bauteil der Karosserie. Es sorgt für Steifigkeit des Fahrzeugs und ist leichter als vergleichbare Batterien, da Material für Module und Verkabelungen entfällt. „Mit den zylindrischen Zellen erreichen wir 20 Prozent mehr Energiedichte im Vergleich zur vorherigen Generation“, sagt Peter Müller, Vice President Produktmanagement Neue Klasse. 

Die nutzbaren 108 kWh sollen bis zu 800 km Reichweite ermöglichen. Das ist rechnerisch ein Verbrauch von 13,5 kWh pro 100 km. Den WLTP-Verbrauchswert gibt BMW mit 15 kWh pro 100 km an. Doch darin sind Ladeverluste enthalten. Der Hersteller geht von einem geringeren Verbrauch beim Fahren aus. Nach eigener Aussage wurde der Energieverbrauch im Vergleich zur aktuellen Generation um 20 Prozent gesenkt. Das habe man durch Verbesserung bei der Aerodynamik (cW-Wert 0,24), Reifen, dem Zwölf-Volt-Bordsystem als auch mit einer effizienteren Umwandlung von Gleich- zu Wechselstrom in den Invertern erreicht. Selbst mit Richtgeschwindigkeit auf deutscher Autobahn sollten mit dem iX3 Strecken von ungefähr 600 km möglich sein. 

Hohe Ladeleistung und bidirektionaler Energiefluss

Das 800-Volt-Spannungssystem erlaubt eine Ladeleistung bis 400 kW an HPC-Schnellladern. In 21 Minuten wird von 10 bis 80 Prozent SoC geladen. Der iX3 lädt auch an Schnellladern mit 400 V Spannung. Dann schaltet sich die Batterie in zwei Gruppen und lädt in etwa so schnell wie die fünfte eDrive-Generation. Für das Laden mit „Plug & Charge“ kann man bis zu zehn Verträge hinterlegen. Den Stand der Batterie-Vorkonditionierung vor einem Ladestopp wird bei Nutzung des Navis dem Fahrer angezeigt. Ohne Navi kann man ein Erwärmen der Batterie manuell starten. 

Optional bietet BMW einen Onboard-Charger mit 22 kW an. Das bringt die Ladezeit mit Wechselstrom für eine vollständige Ladung runter auf 5:45 Stunden. Das Batteriesystem ist auch für die Energieabgabe ausgelegt. Über einen Adapter gibt das Auto bis zu 3,7 kW Leistung an externe Geräte ab (V2L). Sobald die Regularien für die Abgabe ans Stromnetz (V2G) stehen, wird auch das ermöglicht. Die Abgabe ans heimische Stromnetz (V2H) erfolgt über Gleichstrom.

Neue Zonen-Architektur spart Gewicht

Die tiefgreifendste Änderung dürfte die E/E-Architektur sein. BMW setzt mit der Zonen-Architektur das Konzept eines Software Defined Vehiclesum. Das Auto wird in die vier Zonen Front, Rumpf, Heck und Dach unterteilt. Energie- und Datenkabel verlaufen nicht mehr über die gesamte Fahrzeuglänge, sondern vom jeweiligen Zonen-Controller zum Endgerät, wie Bremse, Blinker oder Beifahrer-Airbag. Die Zonen untereinander sowie mit den Recheneinheiten sind per Hochgeschwindigkeits-Datenkabel verbunden. 

Das verändert den Aufbau des Kabelbaums, nach der Batterie eines der schwersten Bauteile im E-Auto. BMW spart so rund 600 Meter Kabel und 30 Prozent des sonst üblichen Gewichts ein. Zu Energieeffizienz trägt auch der Verzicht auf Schmelzsicherungen bei. Sogenannte Smart E-Fuses sorgen für eine Absicherung. Damit werden im Zwölf-Volt-System unterschiedliche Betriebsmodi möglich, bis hin zur Abschaltung einzelner Segmente. 

Vier Hochleistungscomputer

Die Befehle an die Zonen-Controller verschicken vier Hochleistungsrechner. BMW nennt sie Superbrains, da die Rechenleistung das 10- bis 20-fache gegenüber aktuellen Fahrzeugen beträgt. Das Core Brain steuert Klima- und Komfortfunktionen. Das Bedienkonzept aus Projektion und Bildschirm wird von einem eigenen Rechner gesteuert. Nummer drei kontrolliert die Fahrassistenten im Level 2+. BMWs ganzer Stolz ist Nummer vier, den sie Heart of Joy getauft haben. Er steuert die Fahrdynamik und soll den bekannten Claim „Freude am Fahren“ in die neue Klasse übertragen. 

Der Rechner steuert neben dem Antrieb der vier Räder auch ihre Verzögerung. BMW hat festgestellt, dass 98 Prozent aller Bremsvorgänge im E-Auto durch Rekuperation, also die Motorbremse, erfolgen. Die Vorteile einer passgenauen Verteilung von Bremsen und Beschleunigen sollen Fahrer bei sportlicher Fahrweise insbesondere auf kurvenreichen Strecken zu spüren bekommen. Bei der ersten Fahrveranstaltung von BMW im französischen Miramas betonen die Ingenieure das sanfte Anhalten des Autos. Es gibt nicht mehr das gewohnte Einknicken der Karosserie, wenn die Reibbremse greift. Die Software für das Heart of Joy wurde vollständig von BMW entwickelt.

Das Verhalten des überarbeiteten Fahrassistenten bezeichnet BMW als symbiotisch. Mehr mit- als gegeneinander könnte man es ausdrücken. Was es genau bedeutet, wird bei einer Fahrt in den Prototypen deutlich. Ein kurzes Antippen des Bremspedals beendet nicht die Arbeit des Assistenten. Der Wagen verlangsamt, dann macht der Assistent weiter. Fährt man hinter einem Lkw an die mittlere Spurmarkierung, um zu schauen, ob Gegenverkehr kommt, korrigiert einen der Spurhalter nicht mit aller Gewalt. Das System versucht zu erkennen, was der Fahrer möchte, und unterstützt ihn dabei. Mögliche Überholvorgänge auf der Autobahn werden vorgeschlagen und durch einen Blick in den Außenspiegel bestätigt. Blinker setzen und die Spur wechseln übernimmt der Assistent.

Weiterlesen bei Automobil Industrie (€), kfz-betrieb, Fahrzeug + Karosserie

Artikel teilen:

Weitere Artikel