
Design wird zum Differenzierungsmerkmal für Autos. Immer mehr Hersteller entdecken die Mailänder Design Woche als Bühne für ihre Modelle.
Der Denza Z9 GT macht sich gut in der Morgensonne vor dem Mailänder Dom. Die deutsch-chinesische Marke nutzt die Design-Woche in der norditalienischen Stadt für ihre Europapremiere. Das erste Modell ist ein 5,18 m langer Shooting Break (Coupé mit Steilheck). Denza wird ihn als E-Auto und Plug-in-Hybrid anbieten. Danach folgt mit dem D9 ein siebensitziger Van mit Business-Komfort.
Hier geht es um die Oberklasse, die das Gemeinschaftsunternehmen von Mercedes-Benz und BYD bestücken möchte. Dazu hat man sich mit Wolfgang Egger europäisches Gestaltungs-Know-how geholt. Der ehemalige Audi-Designer verantwortet das Design des Z9. Auf der Mailänder Design-Woche bezeichnet er das Modell als Gentlemans Car. Stil, Eleganz und unverwechselbares Auto-Design soll man mit der norditalienischen Metropole verbinden. Nun entdeckt die Autoindustrie die Design-Woche als Bühne für diese Werte. Denza nicht die einzige Automarke in Mailand. Aion, Audi, Lexus, Kia, Skoda und Smart sind in diesem Jahr vertreten.
Eigenes Design-Studio in Mailand
Insbesondere für chinesische Autohersteller ist Mailand ein willkommenes Eintrittstor in den europäischen Markt. Der staatliche Autohersteller GAC aus Guangzhou übernahm bereits 2022 das Atelier des verstorbenen Fotografen Giovanni Gastel in Mailand. Sein Büro und Bibliothek sind bis heute unverändert. Die Räumlichkeiten fungieren jetzt als GAC Design Center Europe. Dabei steht der Markteintritt in Europa noch aus. „Wir wissen, dass wir zunächst eine Vertriebs- und Service-Infrastruktur aufbauen müssen“, sagt Thomas Schemera. Der ehemalige Hyundai- und BMW-Automanager verantwortet als COO von GAC International die Expansion nach Europa. In Mailand präsentiert das Unternehmen sein elektrisches Kompaktauto Aion UT. Doch den Anfang wird im Laufe des Jahres der größere SUV Aion V machen. Sein Verkauf startet zunächst in Polen, Portugal und Israel. Der kleinere Aion UT folgt im kommenden Jahr dann auch in Deutschland. In China wird der Aion UT bereits verkauft. Dort wirbt man damit, der Wagen wurde in Mailand von europäischen Designern entworfen. Das kommt gut an, in den ersten beiden Monaten wurde etwas mehr als 10.000 Stück abgesetzt. Schemera bezeichnet den Aion UT als Mini Chinas. UT steht für Urban Traffic. Mit 4,27 m Länge dürfte das E-Auto gut in den dichten Verkehr europäischer Großstädte passen.

Der größte Smart
In den engen Straßen Mailands sieht man viele Smart Fortwo am Straßenrand parken. Doch das ist ein Blick in die Vergangenheit. In der Industriehalle Magma präsentiert das Gemeinschaftsunternehmen von Mercedes-Benz und Geely den Smart #5. Der 4,70 m lange SUV hat nichts mehr mit dem einstigen Kleinstwagen zu tun. Hauptabsatzmarkt ist heute mit 60 Prozent China. Dort geht es um Größe und Komfort. Darum zeigt Smart in Mailand die Brabus-Edition. Mit 475 kW (645 PS) Allradantrieb ist sie nicht nur sportlich, sondern auch extrem komfortabel ausgestattet. Die Rücklehne der Rücksitze lassen sich elektrisch nach hinten verstellen, so dass der Blick durch das große Glasdach nach oben geht. Selbst die beiden Vordersitze kann man von hinten aus nach vorn schieben, falls die Beinfreiheit mal nicht ausreicht. Der Brabus Smart #5 ist ein Auto, in dem man auch gern gefahren wird.

Wettbewerb zur klassischen Automesse?
Gefahren werden ist in Mailand die bessere Wahl, denn im dichten Verkehr verliert man am Steuer schnell die Geduld. Die Veranstaltungsorte der Design-Woche liegen über das gesamte Stadtgebiet verteilt. Die Fahrerei kostet viel Zeit. Meist steuert man alte Industriehallen an, die nur wenige hundert Menschen fassen. Mit den Messehallen in München, Paris oder Detroit können sie in Sachen Kapazität nicht mithalten. Die Autopräsentationen in Mailand sind Medienevents. Das Publikum soll zuhause darüber lesen.
Mailand ist en vogue, da Automessen unter Druck geraten sind. Es gibt weltweit zu viele und hier teilen sich die Aussteller die Aufmerksamkeit. Der Genfer Autosalon ist Geschichte. Detroit ist ein Schatten seiner selbst und der Pariser Autosalon unternimmt einen Neustart. Die CES in Las Vegas ist ein gutes Beispiel für einen Turnaround. Die Consumer Electronics Show wurde in den Anfangstagen von blinkenden Computer-Mäusen, Massagesesseln und Mixern dominiert. Heute ist es die Messe zum Jahresbeginn in der Wüste von Nevada der Nabel für Fahrzeug-Software, Technik und Fahrassistenz.

Design entscheidet
Bei etlichen Herstellern bestimmen Plattformen für die gesamte Modellreihe die technischen Rahmendaten wie Reichweite und Verbrauch. Damit wird das Design zum Differenzierungsmerkmal. Somit überrascht es nicht, dass immer mehr Automarken die Design-Woche in Mailand für sich entdecken. Eine der ersten Marken dürfte das deutsch-chinesische Start-up Byton im Jahr 2018 gewesen sein. Die Marke scheiterte während der Corona-Pandemie an einer ausbleibenden Finanzierungsrunde.
Heute sind es etablierte Marken wie Audi, die den Rahmen für sich nutzen. Audi exclusive zeigt am Beispiel eines A6 Avant welche Optionen bei Materialien und Farben für eine individualisierte Innenausstattung zur Auswahl stehen.
Skoda setzt auf Sportlichkeit und präsentiert die Top-Version des Elroqs. Die RS-Variante kommt mit Allradantrieb und einer Systemleistung von 250 kW. Aber nicht die Werte sollen das Publikum begeistern, sondern seine Designsprache mit dem Namen Modern Solid. Präsentiert wird das sportliche E-Auto zwischen großen Tier- und Pflanzenskulpturen des italienischen Künstlers Marcantonio.
Camping mit dem E-Auto
Lexus nennt seinen Doppel-Bildschirm im Konzeptauto LF-Z Electrified Back Butterfly. „Diese spannenden Interpretationen der Frage, wie zukünftige Technologien Mensch, Maschine und Mobilität näher zusammenbringen werden, präsentiert Lexus auf der Mailänder Designwoche 2025, die für Kreative aus aller Welt zu den weltweit führenden Messen zählt“, heißt es im Pressetext. Bereits das dritte Jahr in Folge ist Kia in Mailand vertreten. Im Museo della Permanente zeigt es unter dem Motto „Opposites United: Eclipse of Perceptions“ (Vereinte Gegensätze: Eklipse der Wahrnehmung) Werke des französischen Künstlers Philippe Parreno und dem japanisch-britischen Duo A.A. Murakami. Die Ausstellung steht auch für Transformation, in der sich die koreanische Automarke befindet. In einer zweiten Ausstellung „Transcend Journey“ ist die Veränderung ebenfalls Thema. Hier steht die Camping-Version des elektrischen Transporters PV 5 im Mittelpunkt. Bei der CES 2024 präsentierte Kia seine Zukunftsvision Platform Beyond Vehicle. Dabei bleibt die Plattform mit dem E-Antrieb stets gleich, nur die Aufbauten der Fahrzeuge ändern sich. So ist der PV 5 eigentlich ein kantiger Transporter. Doch in der Version WKNDR (Weekender) soll er die Kluft zwischen urbanem Alltag und Outdoor-Erlebnissen am Wochenende überbrücken. Viele Hersteller von E-Autos entdecken Camping als Nische für ihre Fahrzeuge, schließlich ist man damit emissionsfrei in der Natur unterwegs und die Batterie im Boden sorgt im Idealfall für Energieautonomie. Auch der Smart #5 bietet einen Campingmodus, bei dem sich alle Sitze zur großen Liegefläche umklappen lassen. Ein Adapter im Ladeanschluss liefert Energie für den Elektrogrill oder die Kaffeemaschine. Wer will da noch in der Innenstadt nach Parkplätzen suchen?
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