
E-Antrieb, neue Wettbewerber und Überkapazitäten machen deutschen Autoherstellern zu schaffen. Autonome Robotaxen treiben diese Konsolidierung weiter, sagen Berater.
Die Unternehmensberatung McKinsey unterstützt Kunden aus der Autoindustrie bei deren Neuausrichtung. Doch was Philipp Kampshoff, Senior Partner bei McKinsey, in einer internationalen Journalistenrunde während der CES präsentiert, dürfte keinem klassischen Autohersteller gefallen. Fazit: autonome Robotaxen setzen sich bald durch, mit negativen Folgen für etablierte Hersteller.
Kampshoff leitet für die Unternehmensberatung das Center for Future Mobility mit Sitz in Houston, Texas. Sein Team hat Marktdaten zusammengestellt, nach denen seit 2010 rund 850 Milliarden US-Dollar in den so genannten ACES-Bereich (Autonomous, Connected, Electric, Shared) investiert wurden. Das Besondere: 93 Prozent der Gelder stammen nicht aus der Autoindustrie. Es sind vor allem Risikokapitalgesellschaften und Technikkonzerne, die hier eine Chance sehen.
Kurzfristige Rückschläge
Autonom fahrende Fahrzeuge (Level 4) dürften nur in Ausnahmefällen in privater Hand sein. Die Regel werden Fahrangebote wie Uber, Lyft, Waymo und Cruise sein. Der Rückzug von Ford und Volkswagen bei Argo AI, das Ende der Eigenständigkeit von Cruise belegen in der Praxis zwar aktuell einen gegenteiligen Trend, doch für Kampshoff sind das kurzfristige Erscheinungen. Langfristig sprechen vier Gründe für den Erfolg autonomer Fahrzeuge: Bezahlbarkeit, Akzeptanz, Sicherheit und Nachhaltigkeit.
Sinkende Kosten
Bei der Bezahlbarkeit der Fahrdienste spielen die Kosten für den Fahrer eine entscheidende Rolle. 60 Prozent der Aufwendungen entfallen auf den Menschen. Die Anschaffungskosten autonomer Fahrzeuge werden mit steigenden Stückzahlen sinken, gleiches gilt für Wartung und Betrieb. Bei der Ausweitung des Angebots auf zusätzliche Städte, sinken die Aufwendungen für den Betriebsablauf. McKinsey schätzt, dass bis 2035 die Kosten für jeden Kilometer einer autonomen Fahrzeugflotte um über 80 Prozent sinken wird.

Günstiger als das eigene Auto
Auch die Akzeptanz der Nutzer dürfte eng mit den Kosten verknüpft sein. Die Berater haben errechnet, dass eine ausschließliche Nutzung von Robotaxen in einer Stadt wie Washington D.C. ab einer Fahrleistung von 12.000 km pro Jahr günstiger ist, als ein eigenes Auto. Das würde in der Beispielstadt auf die Hälfte aller Bewohner mit Auto zutreffen. Die reine Zahlenbetrachtung lässt natürlich Status und Komfort eines eigenen Autos außer Betracht. Schnell etwas transportieren oder spontan jemanden abholen und einen Gefallen erledigen, ist mit einem Shuttle komplizierter. Kampshoff, der mit seiner Familie auf einer abgelegenen Farm in Texas lebt, möchte auch nicht auf einen autonomen Shuttle warten, falls sich eins seiner Kinder verletzt und schnell ins Krankenhaus muss.
Sicher unterwegs
In Sachen Akzeptanz beruft sich McKinsey auf Nutzer-Befragungen. Danach sind 65 Prozent der Befragten in Deutschland für eine sofortige oder in wenigen Jahren genehmigte Zulassung autonomer Taxen. In den USA liegt dieser Wert mit 75 Prozent noch etwas höher. An der Spitze liegt China mit 97 Prozent Zustimmung. Gefragt nach Gründen für die Zurückhaltung wurden am häufigsten Sicherheitsbedenken geäußert. Dabei sprechen auch hier die Zahlen für Robotaxen. In den USA sind menschliche Fahrer statistisch alle 357.000 Meilen an einen Unfall mit Verletzten oder sogar Todesfällen beteiligt. Bei Robotaxen liegt der Wert mit 819.000 Meilen um den Faktor 2,3 höher. Alkohol- und Drogenkonsum, Müdigkeit sowie Ablenkungen sind die häufigsten Unfallursachen bei mit menschlichen Fahrern.
Keine Zombi-Taxen
„Eine optimierte Flotte von Robotaxen liegt bis zu 60 Prozent unter den Emissionen privater Pkw“, sagt Kampshoff zum Thema Nachhaltigkeit. Die Berechnung addiert mehrere Aspekte: Die Produktion bei Zulieferern und Herstellern emittiert durch den zunehmenden Einsatz erneuerbarer Energie weniger CO2. Die Fahrzeuge sind auf Langlebigkeit ausgelegt. Verschleißteile wie Sitze und Teppiche können leicht ausgetauscht werden. Bauteile werden wieder verwendet und die Batterien erhalten ein „zweites Leben“ in stationären Speichern. Städte benötigen weniger Parkraum, der zu Grünflächen umgewidmet werden kann. „Wichtig ist, das Aufkommen von Zombi-Taxen zu vermeiden“, sagt Kampshoff. Damit sind Fahrzeuge gemeint, die leer durch die Straßen fahren, auf der Suche nach Kunden. Das sollten Städte über klare Regeln für die Flottenbetreiber unterbinden.

Überkapazitäten bei Autofertigung
Autonome Robotaxen haben Auswirkungen auf den Fahrzeugbesitz. „Wenn die durchschnittliche Zahl von Autos pro Haushalt von aktuell 2 auf 1,8 sinkt, wie wir es in unseren Prognosen sehen, wird dies massive Auswirkungen auf die Produktionszahlen haben“, sagt Kampshoff. Die europäischen Autohersteller haben schon heute Überkapazitäten in ihren Werken. Auf einen drei-Schicht-Betrieb gerechnet, schätzt Kampshoff den Anteil auf bis zu 50 Prozent. Auch bei den Zulieferern sieht es vergleichbar aus. Der Berater rechnet in den kommenden Jahren mit einer Konsolidierung, also Übernahmen als auch Insolvenzen bei Autoherstellern. Der Wettbewerb mit neuen Modellen amerikanischer und chinesischer Hersteller trifft auf eine sinkende Nachfrage. Womit Kampshoff ebenfalls rechnet: Politiker könnten autonom fahrende Fahrzeuge als Sicherheitsgefahr für das eigene Land einstufen, die Daten für eine fremde Regierung sammeln. Mit strengen Auflagen bis hin zu Einfuhrverboten ist hier zu rechnen.
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