Elektroautos: Wie Opel in Rüsselsheim Batterien repariert – Heise online

Opel Battery Refurbishment Center Modulennahme

Eigentlich sollte der Akku eines E-Autos ein Fahrzeugleben lang halten. Kommt es vorher zu einem Defekt, bleibt nur die Reparatur in einem Refurbishment Center.

Die sechs gläsernen Testkammern könnten in einem Krankenhaus stehen. Jede Zelle ist von durchsichtigen Kunststoffwänden und Türen umgeben. Von oben kommen verschiedenfarbige Kabel und sind mit dem Patienten verbunden: einer geöffneten Batterie aus einem E-Auto. “Unsere Arbeit wurde schon öfter mit der Operation am offenen Herzen verglichen”, sagt Markus Grassmuck. Er ist Manager Technical Operations im Battery Refurbishment Center (BRC) bei Opel in Rüsselsheim. Hier werden Batteriegehäuse geöffnet, um Defekte im Innenleben zu finden und zu beheben.

Das BRC befindet sich in Halle M55 mitten auf dem Werksgelände von Opel. Bislang werden nur 1000 Quadratmeter der deutlich größeren Halle für die Batteriereparatur genutzt. Stellwände trennen den Werksbereich von der restlichen Fläche. Die Größe kann sich mit dem Hochlauf der Elektromobilität in den kommenden Jahren natürlich ändern. Wie auch andere Hersteller garantiert Opel, dass mindestens noch 70 Prozent der Nennkapazität nach acht Jahren oder 160.000 Kilometern vorhanden sind, je nachdem, was zuerst eintritt. Wird der Wert unterschritten, ist ein Austausch fällig.

Opel Battery Refurbishment Center Holzkiste für Transport
Die defekten Batterien aus dem Zentrallager kommen einzeln in Holzkisten nach Rüsselsheim

Begonnen hat es bei Opel mit der Elektromobilität im Jahr 2017. Da kam der rein elektrische Ampera-e auf den Markt. Mit 60 kWh in der Batterie fuhr er 520 km weit. Geladen wurde mit 50 kW am Schnelllader. Ebenfalls 2017 wurde Opel Teil des französischen PSA-Konzerns. Die Fusionsverhandlungen bremsten zwei Jahre lang die Entwicklung weiterer E-Autos. Ab 2019 verhandelte PSA dann mit Fiat-Chrysler über einen Zusammenschluss, im Frühjahr 2021 entstand der neue Autokonzern Stellantis mit 14 Automarken. Inzwischen ist klar, wohin die Antriebsreise bei Opel geht: Heute gibt es im Pkw-Programm für jedes Modell einen batterieelektrischen Antrieb. Das gilt von Corsa über Mokka bis Astra. Der Frontera wurde neu als E-Auto aufgelegt, genau wie der Grandland, der aktuell das Top-Modell der Marke bildet.

Vor der Halle M55 parkt ein Lkw, von dem große Holzkisten abgeladen werden. Jede Kiste enthält eine Batterie. Der Lastwagen kommt aus dem 360 Kilometer entfernten Vesoul. Am Rande des französischen Ortes betreibt Stellantis ein Zentrallager. So landen in Rüsselsheim nicht nur defekte Batterien der Marke Opel, sondern auch von Peugeot, Citroën, DS, Fiat und Jeep. Die Batterien stammen aus Unfallautos, liegengebliebenen Fahrzeugen sowie aus Vertragswerkstätten der Stellantis-Marken.

Opel Battery Refurbishment Center Entnahme von Modulen
Ein Mitarbeiter entfernt einen defekten Modul-Block aus der Batterie

Die Reparatur beginnt in der Regel in der Autowerkstatt des Kunden. Stellt der Mechaniker nach dem Auslesen der Diagnosedaten des Fahrzeugs fest, dass die Batterie einen Defekt hat, hält er zunächst Rücksprache mit einem Experten im sogenannten Aftersales-Backoffice. Gemeinsam wird entschieden, ob ein Batterietausch angebracht ist. Öffnen darf die Werkstatt das Batteriegehäuse nicht. Das erfordert besonderes Equipment und vor allem speziell geschultes Personal nach dem Hochvolt-Level 5. Die Skala reicht von fachkundig unterwiesenen Personen (Level 1) bis zur entsprechend ausgebildeten verantwortlichen Elektrofachkraft (Level 5).

Ist eine Reparatur notwendig, wird der Akku von der Fachwerkstatt entnommen und geht per Spedition auf die Reise ins französische Lager. Bis er repariert wieder in der Werkstatt ankäme, würden Wochen, eventuell sogar Monate vergehen. Daher ordert die Werkstatt eine Ersatzbatterie aus dem Lager. Dabei erhalte der Kunde stets eine Batterie mit gleichwertigem oder sogar besserem Alterungszustand (State of Health, SoH), sagt Grassmuck.

Opel Battery Refurbishment Center
Die geöffneten Batterien liegen im BRC auf Tischen. Die orangefarbenen Abdeckfolien dienen der Sicherheit: Stolpert ein Mitarbeiter im Vorbeigehen und stützt sich mit den Händen ab, berührt er keine leitenden Teile.

In Rüsselsheim öffnen Grassmucks Mitarbeiter die Holzkisten und heben mit einem Kran das Batteriegehäuse auf ein Gestell. Als erstes wird die Verklebung oder Verschraubung der Batterie gelöst. Das Innenleben mit den Modulen, Steuergeräten und dem Kühlkreislauf kommt danach auf einen Arbeitstisch. Ein Hochvoltexperte schaut auf die mitgelieferten Angaben der Werkstatt. “Allerdings beschreiben die ausgelesenen Fehlercodes nur Symptome. Hier lassen sich nicht immer direkte Rückschlüsse auf die Fehlerursache ziehen”, sagt Grassmuck. Darum macht sich der Hochvoltexperte zunächst selbst ein Bild. Neben dem nochmaligen Auslesen der Software gehört auch die klassische Sichtprüfung dazu. Sämtliche Kabel, die orangefarbenen Hochvoltverbindungen (Busbars), die Schalt- und Steuerelemente, Kühlleitungen und natürlich die einzelnen Module, in denen die Batteriezellen stecken, werden genau in Augenschein genommen. Wird ein Defekt gefunden, kommt er auf die Reparaturliste.

Liegt der Fehler in einer Batteriezelle, wird das jeweilige Modul getauscht. Einzelne Zellen lassen sich nicht austauschen. “Dazu sind sie zu kompakt im Modul verbaut und lassen sich nicht zerstörungsfrei entfernen”, begründet Grassmuck das Vorgehen. Das Ersatzmodul kommt aus einer Art Weinkeller, in dem statt edler Tropfen Ersatzmodule unterschiedlicher Reifegrade lagern. “Wir bauen in die Batterie ein Modul ein, das einen ähnlichen Gesundheitszustand hat wie die übrigen Module im Paket”, so Grassmuck. Außerdem muss das Modul auf den gleichen Ladezustand gebracht werden wie die restlichen Module im Akku. “Das Batteriemanagement hätte ansonsten nach dem Einbau Probleme, wenn die Spannungslevel stark voneinander abweichen”, sagt Grassmuck.

  • Opel Battery Refurbishment Center
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Ist das ausgebaute Modul nicht defekt, sondern wurde nur aufgrund stark abweichender Speicherkapazität entfernt, geht es in den Weinkeller, und dient vielleicht als Ersatzteil für eine andere Batterie. Ist es defekt, geht es ins Recycling. Ist es zwar funktionsfähig, liefert für den Einsatz im Fahrzeug jedoch zu wenig Restkapazität, bekommt es ein zweites Leben. Entweder wird es an Betreiber stationärer Batteriespeicher verkauft oder es kommt ins Opel-Testzentrum in Rodgau-Dudenhofen. Dort haben die Ingenieure schon mal Container mit solchen Altmodulen bestückt und als mobile Ladesäule genutzt.

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