Dongfeng Box: Bunte, rollende Kiste aus China – Golem

Dongfeng Box
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Chinas Autohersteller Dongfeng will in Europa Fuß fassen. Nach einer Proberunde mit dem Einstiegsstromer Box bleiben noch einige Fragen offen.

Für die engen Straßen der Turiner Altstadt wäre der Dongfeng Box ein perfektes Auto. Mit 4,02 m Länge und 1,81 m Breite fände der chinesische Kleinwagen überall Platz. – Der Konjunktiv ist bewusst gewählt, denn die Probefahrt findet nicht in der historischen Innenstadt, sondern auf breiten Ausfallstraßen beim Trainingsgelände von Juventus Turin statt.

Das chinesische Staatsunternehmen Dongfeng hat sich die Neuauflage des Turiner Autosalons ausgesucht, um zwei Modelle für Europa zu präsentieren. Für die sogenannten Dongfeng Days sind Importeure, Analysten und Journalisten nach Italien gekommen. Somit besteht großer Andrang bei den zwei verfügbaren Vorserienmodellen.

Für uns Medienvertreter bleiben pro E-Auto 20 Minuten Fahrzeit, die man sich mit einem Kollegen teilt. Viel zu wenig, als dass dieser Artikel als Fahrbericht durchgehen könnte. Im Auto sitzt ein Mitarbeiter der Marke, der allerdings keine Frage zum Fahrzeug beantwortet.

Auch direkte Fragen im Nachgang an die chinesische Pressesprecherin werden mit der Bitte um eine schriftliche Anfrage über die italienische PR-Agentur abgeblockt. Nicht nur Kunden müssen sich an neue Marken- und Modellnamen aus China gewöhnen, sondern auch wir Journalisten müssen lernen, dass ein chinesischer Staatskonzern anders kommuniziert.

Dongfeng Box Cockpit

2,42 Millionen Autos verkauft

Dongfeng ist neben FAW einer der ältesten Autohersteller Chinas. Die Marke begann vor 55 Jahren mit der Produktion von Nutz- und Militärfahrzeugen. Heute existieren rund ein halbes Dutzend Untermarken. Im vergangenen Jahr wurden 2,42 Millionen Fahrzeuge verkauft. Der Umsatz lag bei umgerechnet 52 Milliarden Euro. In Europa sind bereits der elektrische Offroader M Hero sowie zwei Modelle der Marke Voyah erhältlich.

Der Name leitet sich von Voyage – Reise – ab. Das Logo steht für die Flügel des Vogels Kunpeng aus der chinesischen Mythologie. Nach dem SUV Voyah Free und dem Van Dream kommt nun der kleinere SUV Courage nach Europa.

Deutlich spannender ist aber der Kleinwagen Box. In China wird der Box unter der Marke Nammi vertrieben. In Europa möchte der Hersteller seinen Markennamen bekannter machen. Somit soll das E-Auto Anfang 2025 als Dongfeng Box in Europa starten. Erste Besonderheit ist der Preis.

E-Kleinwagen für weniger als 25.000 Euro

Der soll nämlich unterhalb von 25.000 Euro liegen. Genauer wollen es Dongfengs Export-Chef Ma Lei und Xie Qian, der Verantwortliche für Europa, im Gespräch mit Golem.de nicht beziffern. Klarheit bringt ein Blick auf die Webseite des Importeurs für die Benelux-Länder. In den Niederlanden wird die Long-Range-Version (42,3 kWh) für 310 km Reichweite 23.400 Euro kosten. Die Standard-Version (31,4 kWh) für 230 km startet bei 22.400 Euro.

In Gesprächen mit Importeuren wird klar, dass bei den Preisen bereits 30,8 Prozent Zoll (in Deutschland: 10 Prozent Einfuhrzoll plus 20,8 Prozent Strafzölle) einkalkuliert sind. Die endgültige Entscheidung über Strafzölle in der EU steht allerdings noch aus. In seiner Heimat startet der Nammi Box laut Webseite bei umgerechnet 9.600 Euro (75.800 Renminbi Yuan, RMB).

Eine deutsche Webseite gibt es für den Box noch nicht. Der Importeur stellt lediglich eine Seite für die Marke Voyah ins Netz. Bereits seit längerer Zeit steht fest, dass ADG Europe mit Sitz in Kerpen die Aufgabe übernimmt, Fahrzeuge zu importieren und Händler zu finden, die beide Marken in ihren Showrooms präsentieren.

Die Zurückhaltung in der Kommunikation erklären andere Importeure in Turin mit noch offenen Vertragsbestandteilen, die zwischen Dongfeng und ADG Europe geklärt werden müssten. Doch Xie Qian ist überzeugt, im ersten Quartal 2025 mit dem Verkauf in Deutschland starten zu können.

Dongfeng Box
Das Handschuhfach funktioniert wie eine Schublade

Gute Beschleunigung bis 50 km/h

Der Box nutzt die Quantum-3-Plattform von Dongfeng. In der Front steckt ein permanent-erregter Synchronmotor mit 70 kW. Er bringt den Kleinwagen in 4,8 Sekunden aus dem Stand auf 50 km/h. Auf Nachfrage wird ein Wert von sechs Sekunden bis 100 km/h angegeben. Doch bei der Proberunde hat man den Eindruck, dass nach Tempo 50 nur noch wenig Leistung zur Verfügung steht und es länger dauert, bis 100 km/h erreicht sind. Als Höchstgeschwindigkeit für den 1.312 kg schweren Wagen wird 140 km/h angegeben.

Auf der kurzen Proberunde hat man das Gefühl, dass nach Tempo 50 nur noch mäßig Leistung verfügbar ist. Es dauert lange, bis der Wagen darüber hinaus beschleunigt und die Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h erreicht.

Nimmt man den Fuß vom Fahrpedal, dauert es einen Augenblick, bis die Rekuperation spürbar wird. Neben der Größe spricht auch die Motorleistung für eine Nutzung in der Stadt. Hier soll der Box auffallen, entsprechend bunt ist die Farbauswahl.

Hochwertige Innenausstattung

Der Box kommt in kräftigen Farben wie Gelb, Lila oder Blau. Sieben, meist zweifarbige Kombinationen stehen zur Auswahl. Nähert man sich dem Fahrzeug mit dem Smart Key, fahren die Türgriffe aus. Die Fenster haben keine Rahmen. Optional fährt der Fahrersitz in eine Begrüßungsposition.

Bei der Ausstattungsvariante ist der Sitz beheizt und belüftet und speichert seine Position. Im Inneren ist die Verkleidung des Armaturenbretts im Rautenmuster genäht. Es gibt eine 32-farbige Innenbeleuchtung. Die Soundanlage kommt in der kleinen Batterie-Variante mit vier, in der großen mit sechs Lautsprechern.

Noch keine Routenplanung 

In der Mittelkonsole liegt das Smartphone auf einer Ladefläche (50 Watt). Statt eines Handschuhfachs hat der Box eine Schublade, die so konstruiert ist, dass man darauf auch einen Laptop abstellen kann. Auf dem zentralen 12,8-Inch-Bildschirm haben wir Schwierigkeiten, die deutsche Version zu finden.

Noch gibt es in dem Vorserienmodell keine Routen- und Ladeplanung. Das werde bis zum Marktstart nachgeholt. Es gibt einen Parkassistenten und einen adaptiven Tempomaten mit Spurhalter, jedoch reicht die Fahrzeit nicht aus, um die Assistenten zu testen.

Der Box gibt auch Strom ab

Nach zehn Minuten Fahrtzeit wechsle ich auf die Rückbank. Das Raumangebot ist dank eines Radstandes von 2,66 m auch für erwachsene Menschen gut. Der 1,57 Meter hohe Box ist ein Fünfsitzer. In den Kofferraum passen 326 Liter Gepäck. Mit umgeklappter Rücklehne sind es 945 Liter. Unter der Fronthaube ist ebenfalls ein Staufach, dessen Größe allerdings nicht angegeben wird. Eine Schätzung fällt schwer, da das Vorserienfahrzeug dieses Fach noch nicht besitzt.

Überraschend ist die Vehicle-to-Load-Funktion (V2L) in der Long-Range-Version. Der Box gibt Wechselstrom über einen Typ-2-Stecker mit Adapter an elektrische Geräte ab. Etwas zu kurz springen die Chinesen bei der Ladeleistung. Mit Wechselstrom lädt die Standard-Version 3,3 kW und die Long-Range-Variante 6,6 kW. Standard sind eigentlich 11 kW.

Die Ladeleistung mit Gleichstrom für den CCS-Anschluss gibt der Hersteller nicht an, auch nicht auf Nachfrage. Auch auf der chinesischen Webseite für den Nammi Box ist kein Wert zu finden. Der Hersteller kommuniziert lediglich eine Zeitangabe: 30 Minuten für einen Ladezustand von 30 bis 80 Prozent. Vermutlich ist der Wert aus europäischer Sicht zu niedrig. Bereits beim M Hero enttäuschte die DC-Ladeleistung. Die 143-kWh-Batterie wird mit maximal 100 kW Gleichstrom geladen.

Mit Wechselstrom lädt die Standardversion 3,3 kW und die Long-Range-Variante 6,6 kW. Standard sind hier eigentlich 11 kW.

Als De-facto-Standard hat sich in Europa der doppelte Wert der Batteriekapazität als Ladeleistung durchgesetzt. Die Importeure haben das Thema Ladeleistung nach eigener Aussage mehrfach beim Hersteller thematisiert. Sie seien sicher, dass nachgebessert werde; doch die erste Lieferung von 2.000 Box-Fahrzeugen, die bereits verschifft wurden, wird mit der geringen Ladeleistung ausgeliefert.

Dongfeng Box Dirk Kunde

Niedriger Verbrauch

Rechnerisch liegt der Verbrauch bei 13,6 kWh auf 100 km. Der Hersteller nennt einen Wert von 10,6 kWh.

Auch wenn die Proberunde kurz war, der Eindruck der Innenausstattung ist deutlich hochwertiger als beim Dacia Spring. Der ist mit 16.900 Euro eines der günstigsten E-Autos in Deutschland. Nicht nur deswegen bietet sich ein Vergleich des Box-Modells mit dem Modell der rumänisch-französischen Marke an. Sondern auch deshalb, weil Dacia bislang die elektrische Version des Springs bei Dongfeng in Wuhan fertigen lässt.

Nun wetteifern beide mit eigenen Modellen um Kunden im elektrischen Einstiegssegment. Für einen direkten Vergleich muss man den Dacia Spring Extreme Electric 65 ab 19.900 Euro heranziehen. Er bietet weniger Motorleistung (48 kW) sowie eine geringere Höchstgeschwindigkeit (125 km/h). Die Batterie ist kleiner (26,8 kWh) und somit fällt auch die Reichweite mit 228 km geringer aus.

Der Dacia hat einen 24 cm kleineren Radstand und ist 30 cm kürzer als der Box, was sich auf das Platzangebot im Inneren auswirkt. Die Ladeleistung liegt mit Wechselstrom bei 3,7 kW und der CCS-Anschluss mit 30 kW ist eine kostenpflichtige Option.

Die Wahl der piemontischen Hauptstadt Turin überrascht als Veranstaltungsort der Dongfeng Days. Im vergangenen Jahr lag der E-Auto-Anteil bei Neuzulassungen bei rund 5 Prozent in Italien. Deutschland schnitt mit 18,4 Prozent deutlich besser ab.

Doch Norditalien hat eine lange Autotradition. Turin ist die Gründungsstadt von Fiat (Fabbrica Italiana di Automobil Torino). Auch der Autosalon Turin pausierte vor der diesjährigen Neuauflage für längere Zeit. In diesem Jahr stehen die neuen und alten Modelle unter freiem Himmel auf den Plätzen und Straßen der Altstadt.

Dongfeng Box

Neue Autofertigungen aus China?

Fiat ist heute Teil von Stellantis. Der Konzern kämpft mit Überkapazitäten. Allein in Italien sind 25.000 Arbeitsplätze sowohl in der Fertigung als auch bei Zulieferern in Gefahr. Somit liefern die Importeure im Gespräch einen guten Grund für die Wahl des Veranstaltungsortes.

Die italienische Regierung würde gern neue Autofertigungen im Land ansiedeln, auch aus China. Im Interview schließt Ma Lei die Möglichkeit nicht aus, will aber weder Zeitpunkt noch Ort nennen. Noch seien Voyah und Dongfeng Box zu klein, so dass sich eine europäische Fertigung nicht rechne.

Kommen Strafzölle für chinesische Autos in der EU, könnte die Rechnung bald anders aussehen. Seit dem Verkaufsstart vor zwei Jahren verkaufte Dongfeng nach eigenen Angaben in 30 europäischen Ländern insgesamt 10.000 Fahrzeuge.

Es fehlt eine Europa-Zentrale

Ebenfalls fehlt Dongfeng noch eine Europa-Zentrale. Im Gespräch mit Golem.de betonen beide Gesprächspartner, wie wichtig ihnen sowohl eine lokale Repräsentanz als auch der Service nach dem Autoverkauf sei. Man habe bereits ein Zentrallager für Ersatzteile im niederländischen Venlo eingerichtet. “Das erste Auto verkauft man mit Marketing, das zweite mit After Sales Service”, sagt Xie Qian, Leiter von Dongfeng Europe.

Von außen mag die EU wie eine Einheit wirken, doch von der sprachlichen und kulturellen Vielfalt zeigen sich die chinesischen Manager überrascht, beispielsweise von den drei Sprachversionen im Menü für den Schweizer Markt. Qian war zunächst in Skandinavien mit dem Vertriebsaufbau befasst. Nun hat er Italien im Blick. Seine größte Hürde: “Das späte Abendessen um 21 Uhr.”

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