
Den Anbieter für HPC-Ladesäulen Ekoenergetyka dürften bislang nur wenige kennen. Dabei ist das Unternehmen aus Polen nicht kleiner als Marktführer Alpitronic. Mitbegründer Maciej Wojeński und sein Team setzen zum Sprung in die Spitze an.
Den europäischen Markt für HPC-Lader beherrscht vor allem ein Unternehmen: Alpitronic aus Bozen in Italien. Die markante Form ihrer Schnelllader erkennt man wieder, egal ob sie bei EnBW, Fastned, Shell oder Ionity stehen. Die Form aber auch ihre Zuverlässigkeit dürften wesentliche Gründe für ihren Unternehmenserfolg sein.
„Ja, beim Design haben wir noch einen längeren Weg vor uns, aber bei der Zuverlässigkeit halten wir mit“, gibt sich Maciej Wojeńsk im Gespräch mit Next-Mobility selbstbewusst. Er ist Gründer und Aufsichtsrat der Ekoenergetyka Polska S.A. (EE). Den Namen des polnischen Unternehmens muss man beim ersten Mal langsam lesen, um ihn richtig auszusprechen. Aber merken sollte man ihn sich auf jeden Fall. In etlichen Ionity-Schnellladern in Osteuropa steckt Technik von EE. Gleiches gilt für Powerdot in Portugal und Orlen in Polen. Das Unternehmen hat etliche Ladelösungen für Busse und Trucks realisiert. Insgesamt 8.300 Ladepunkt sind in 30 Ländern installiert. Nun setzt das Unternehmen zum Sprung auf den Pkw-Sektor an. „Wir wollen unter die Top 3 der Ladesäulenanbieter“, sagt Wojeńsk.

E-Bus mit Kunstrasen
Interessanterweise wurden EE und Alpitronic im Jahr 2009 gegründet. Während Alpitronic erst ab 2016 auf Schnelllader setzt, legt EE direkt damit los. Da es damals so gut wie keine elektrischen Pkw gibt, liegt der Fokus auf Nutzfahrzeugen. „Mit Solaris haben wir in Polen unseren ersten wichtigen Kunden gewonnen“, sagt Wojeńsk. Zur Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine verkleidet der Bushersteller einen seiner Urbino-Modelle mit Kunstrasen auf der Außenseite. Das Fahrzeug wird am Austragungsort Posen eingesetzt. Unter dem Kunstrasen steckt ein batterie-elektrischer Antrieb. Die Ladelösung stammt von EE. Mit bis zu 120 kW kann der 12 Meter lange Solaris Urbino an einer Gleichstrom-Säule laden. „Damals gab es noch keine CCS-Stecker. Wir haben einen Industriestecker für unsere Zwecke umgerüstet“, erinnert sich der 39-jährige.
VW Jetta umgerüstet
Die Anfänge des Unternehmens liegen an der Universität von Zielona Góra, einer 140.000 Einwohner Stadt im Westens Polens, rund zwei Autostunden von Berlin. Hier studiert Wojeńsk gemeinsam mit seinem Freund Bartosz Kubik Elektrotechnik. Als Studienprojekt rüsten sie zusammen mit anderen Studenten einen VW Jetta auf E-Antrieb um. Es stellt sich die Frage: Wie lädt man den? Die Gruppe entwickelt eine AC-Ladesäule, auch mit eigener Steckerlösung. Für Wojeńsk und Kubik macht es in diesem Moment klick und sie wissen, dass sie nach ihrem Studienabschluss als Elektrotechnik-Ingenieure ins Unternehmertum gehen.

Wenig Platz in Paris
Sie bleiben ihrer Heimatstadt treu und beliefern von hier neben Solaris Bushersteller sowie Verkehrsbetriebe in ganz Europa. Mit der Régie Autonome des Transport Parisiens (RATP) Paris kommt 2017 ein Großauftrag. Insgesamt 1.300 Ladepunkte sollen in Busdepots installiert werden. „Das waren teilweise sehr alte und enge Depots im Stadtgebiet. Zwischen die Busse passte keine Ladesäule, also entwickelten wir eine Lösung, bei der Kabel sich von oben herabsenken“, erzählt Wojeńsk. Heute zählen Busbetriebe in Portugal, Spanien, Schweden und Norwegen zu den Kunden. Die MVG in München, BVG in Berlin und VHH in Hamburg und Schleswig-Holstein zählen zu den EE-Kunden.
Größer als Alpitronic?
Spätestens mit dem Großauftrag aus Paris stellt sich den beiden Gründern die Frage: Wie finanzieren wir das weitere Wachstum? Sie entscheiden sich für einen privaten Investor. Doch die Anteile kaufen die Gründer schon wenige Jahre später wieder zurück. Im Jahr 2022 entscheiden sie sich für die Enterprise Investors. Das Private Equity Unternehmen aus Polen ist auf Start-ups in Osteuropa spezialisiert und hält eine Minderheitsbeteiligung. Heute beschäftigt EE 1.000 Mitarbeiter an drei Standorten in Polen. Der Umsatz liegt bei rund 120 Millionen Euro. Damit ist Ekoenergetyka eventuell sogar größer als Alpitronic. Die letzte Bilanz im italienischen Handelsregister des privat gehaltenen Unternehmens ist von 2018 und damit wenig aussagekräftig. In jüngeren Medienberichten ist von 700 Mitarbeitern und etwas mehr als 100 Millionen Euro Umsatz die Rede.

Ausreichend Kapazitäten?
Auf ihrem Weg beschäftigen die beiden Gründer vor allem zwei Herausforderungen: Skalierung der Fertigung und Produktlinien. 2018 gibt der polnische Mineralölkonzern Orlen dem jungen Unternehmen einen Auftrag über 150 Ladesäulen an deren Tankstellen. „Das konnten wir in unserer Fertigungshalle noch bewältigen“, sagt Wojeńsk. Es folgen Aufträge für Powerdot und Ionity. Der deutsche Ladeanbieter bestellt 300 Ladesäulen und möchten sich vor Ort überzeugen, wie ein so junges Unternehmen den Auftrag abwickelt. „Wir haben eine Fertigungsstraße aufgebaut, die laufend verbessert wird. Derzeit beschäftige ich mich stark mit dem Thema Automatisierung. Hier wollen wir in der Produktion noch mehr erreichen“, sagt Wojeńsk. Raum ist vorhanden. In dem Industriegebiet am Rande von Zielona Góra hat das Unternehmen zehn Hektar Land erworben.
Satellitenkonzept
Die Auftraggeber aus dem Pkw-Sektor möchten zudem Produktlinien sehen. „Die hätten am liebsten einen Katalog in die Hand genommen, in dem sie hätten blättern können“, erinnert sich Wojeńsk. Bei den Installationen für Busbetriebe handelte es sich meist um individuelle Lösungen. Den Standard-Ladepunkt gab es bei Ekoenergetyka lange nicht. Bei Ionity beispielsweise lieferten sie das Innenleben. Beim Design der Satellitensäulen waren sie an die Vorgaben des Anbieters gebunden. Darum entwickelten Wojeńsk uns sein Team die Produktlinien Axon und Sat. Letzteres steht für Satellit, denn die Säule enthält das Ladekabel mit CCS-Stecker. Sollte dies flüssigkeitsgekühlt sein, sind Cooler, Pumpe und Flüssigkeitsbehälter ebenfalls darin untergebracht. Die Leistungselektronik steht abseits. Das eignet sich vor allem für Standorte, an denen wenig Platz für große Ladesäulen ist.

Werbedisplays
Die Axon-Reihe gibt es von 60 bis 400 kW Ladeleistung. Bei der Axon Easy 400 wird die Ladeleistung über ein Load Balancing System in 80 kW-Schritten auf die zwei Anschlüsse verteilt. Mit der maximalen Ladeleistung und seiner Eichrechts-Konformität positioniert sich EE für das Deutschland-Netz. Die HPC-Säule ist quadratisch praktisch, nicht wirklich ein Design-Highlight. Ein Kabelmanagement per Seilzug sorgt dafür, dass die Kabel nicht auf dem Boden liegen. Ein Schwenkarm, der große Teile des Gewichts trägt und dem Nutzer überall am Fahrzeug den Zugang zum Ladeport ermöglicht, ist vorgesehen. Ein NFC-Lesegerät für Kartenzahlung und die Integration der gängigen Zahlungsabwickler, ist vorhanden. Oben am Dach gibt es zwei LED-Leuchten, die den Zustand des Ladepunkts weithin sichtbar signalisieren (frei, belegt, defekt). Auffällig ist der 24 Zoll große Monitor auf der Frontseite. „Hier können Betreiber Werbung zeigen“, sagt Wojeńsk. Dabei kommt seine Erfahrung mit Orlen zum Tragen. Es geht weniger um klassische Werbung als vielmehr um Angebote für den Shop oder das Restaurant am Standort. Die Kunden sollen ihre Ladepause nicht neben der Säule oder im Auto verbringen.
Bis zu 500 kW Ladeleistung
Dank steigender Ladeleistungen fallen Ladepausen kürzer aus. Wo gehen die Ladeleistungen bei E-Autos hin? „Das geht in Richtung der 500 kW“, gibt sich Wojeńsk überzeugt. Seine Säule SAT 600 HPC liefert bereits bis zu 600 Ampere. Bei 800 Volt sind das maximale 480 kW Ladeleistung. Die Autohersteller werden hier mitziehen, so seine Meinung. Dann müssten auch die Batterien nicht größer werden. „Kommen wir in die Region von zehnminütigen Ladestopps, dann wäre es sinnvoller auf langen Strecken einmal mehr zu laden, als dauerhaft das höhere Gewicht der Batterie mit sich herumzufahren“, sagt Wojeńsk. Natürlich verfolgt sein Unternehmen auch die Entwicklung zum Megawattcharging (MCS) im Schwerlastverkehr. Wojeńsk zeigt das Rendering einer Lkw-Ladestation mit einer Durchfahrtlösung. Von einer Brücke oberhalb der Kabinendächer senken sich die Stecker herab. Hier wird die Idee aus Paris wiederverwertet.

Sprung in die USA
Aktuell blickt Wojeńsk über den großen Teich. Die USA sind für Hardware-Hersteller zum Lade-Eldorado geworden. Spätestens seitdem die sieben Autohersteller BMW, General Motors, Honda, Hyundai, Kia, Mercedes-Benz und Stellantis ein eigenes Ladenetzwerk angekündigt haben. Doch um in den Genuss der IRA-Förderungen zu kommen, müssen große Teile der Produkte aus den USA stammen. „Genau das schauen wir uns gerade an und arbeiten parallel an der Zertifizierung unserer Produkte“, sagt der Unternehmer. Vermutlich werde das EE-Büro aufgrund des geringeren Zeitunterschieds als auch Reisezeit an der Ostküste entstehen. Im Laufe diesen, spätestens kommendes Jahr will Wojeńsk vor Ort präsent sein. Dann müssen auch die Amerikaner üben, um Ekoenergetyka flüssig auszusprechen.
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