Lkw-Ladestationen unter Hochspannung setzen – Golem

Milence Ladestation Hermsdorfer Kreuz
Golem

Das E-Lkw-Laden entlang der Autobahnen ist schwerer umzusetzen als für Pkw. Knackpunkte sind der Platz, reservierte Lader, Ladeleistung und Netzanschlüsse.

Der Ladepark von Milence in der Nähe des Hermsdorfer Autobahnkreuz an der A4 dürfte dem Traum eines E-Lkw-Fahrer schon recht nah kommen. Nur wenige hundert Meter von der Ausfahrt Rüdersdorf liegt der Ladepark. Das Zauberwort heißt Schleppkurve. Die Wege sind so angelegt, dass kein Fahrer rangieren oder seinen Auflieger abkoppeln muss. Ankommende und abfahrende Gespanne kommen sich nicht in die Quere. Es gibt acht Ladepunkte unter einem Dach mit bis zu 400 kW Leistung. Hier kann der Fahrer während seiner Lenkpause als auch über Nacht laden. Der Preis für eine Kilowattstunde liegt bei 0,39 Euro netto. Es gibt Toiletten als auch Duschen. Neuen Minuten unter warmem Wasser kosten vier Euro. Fahrer und Fahrzeug stehen sicher auf dem eingezäunten Gelände. Lediglich das Gastro-Angebot ist schwach. Wer nichts dabei hat, muss zu Fuß über die Straße zum Autohof Pörsdorf.

Platz und Netzanschluss

Milence ist für Lkw, was Ionity für Pkw-Fahrer ist. Es ist der Ladeanbieter der Fahrzeughersteller. Die Anteilseigner sind in diesem Fall Daimler Truck, Traton sowie Volvo Trucks. Das 2022 gegründete Unternehmen hat seinen Sitz in Amsterdam. „Bis 2027 werden wir europaweit an den Ten-T Korridoren 1.700 Ladepunkte errichten“, sagt Anja van Niersen, CEO von Milence. Für die Standortwahl nennt sie zwei Kriterien: Lage und Netzanschluss. Ein Ladepark sollte nicht mehr als fünf Fahrminuten von einer Autobahnausfahrt entfernt liegen. Für die Schnelllader mit bis zu 400 kW benötigt man einen Anschluss ans Mittelspannungsnetz. Beim kommenden Ladestandard MCS ist ein Hochspannungsanschluss mit 110 Kilovolt notwendig. Das Akronym steht für Megawatt Charging Standard. Im ersten Schritt plant man mit einer Ladeleistung von einem Megawatt. 

EON Lkw Lader

Ruhezeit wird Ladezeit

Rechnerisch ist eine 500 kWh Lkw-Batterie mit 1.000 kW Leistung in 30 Minuten geladen. Das ist stark vereinfacht, denn es vernachlässigt das Ansteigen und Abfallen der Ladeleistung im Verlauf und kein Lkw kommt mit leerer Batterie zum Laden. Es soll verdeutlichen, dass die vorgeschriebene 45-minütige Lenkpause nach viereinhalb Stunden Fahrt, für das Aufladen an einem MCS-Anschluss ausreicht. Der Ladestandard ist auf eine maximale Spannung von 1.250 Volt und eine Stromstärke von 3.000 Ampere ausgelegt. In der endgültigen Ausbaustufe laden MCS-Charger mit bis zu 3,75 Megawatt. Das erfordert hohe Investitionen, doch der Lademarkt für den Schwerlastverkehr verspricht gute Umsätze. Die Kundschaft ist konstant unterwegs, unabhängig von Jahres- und Ferienzeiten. Lädt ein elektrischer Pkw 40 bis 50 kWh bei einem Stopp, ist es beim Lkw die zehnfache Energiemenge. 

Netzanschlüsse bereits beantragt

Die elektrischen Lkw sollen aber nicht immer von der Autobahn abfahren müssen, um nachzuladen. Derzeit läuft eine Ausschreibung des Bundesverkehrsministeriums, der Autobahn GmbH des Bundes sowie der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur für ein gemischtes Schnelladenetz auf Autobahnrastplätzen. An 350 Standorten sollen insgesamt 4.200 CCS- und MCS-Ladepunkte installiert werden. „Wir haben in anonymisierter Form die Maut-Daten von Toll Collect analysiert und kennen daher sehr genau die Ladebedarfe der Lkw. Die fallen höher aus als von der europäischen AFIR vorgeschlagen“, sagt Johannes Pallasch, Sprecher der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur. Die Zuschläge für die Standorte erfolgen in der zweiten Jahreshälfte 2025. Um keine Zeit zu verlieren, beantragt der Bund schon jetzt für alle Standorte bei den jeweiligen Netzbetreibern 10 Megawatt-Anschlüsse im Mittelspannungsnetz. 

Rastplätze brauchen Hochspannungsanschlüsse

„In meinen Augen ist das zu kurz gesprungen“, sagt Martin Konermann, Technischer Geschäftsführer der Netze BW GmbH. Mit zehn Megawatt aus dem Mittelspannungsnetz lassen sich zehn Lkw mit dem MCS-Standard laden. Alternativ laden 25 Lkw mit 400 kW. „Als wir uns vor einigen Jahren mit dem Thema auseinandergesetzt haben, bin ich mal nach Bruchsaal gefahren und habe dort schon 60 LKW stehen sehen. Also deutlich mehr. Wenn jemand dann später sagt, er hätte gern 30 Hochspannungsanschlüsse und ich antworte dem, das dauert acht bis zehn Jahre für Planung, Genehmigung und Bau, dann muss ich mich für diese Zeit rechtfertigen. Die Situation würde ich gerne vermeiden“, sagt Konermann. Darum plädiert er dafür, gleich alle 450 Rastplätze der Autobahn GmbH mit einem Hochspannungsanschluss zu versorgen. „Das kostet pro Standort etwa 20 Millionen Euro multipliziert mit 450 Standorten sind das neun Milliarden Euro. Aber damit hätte man zukunftssicher Pkw- und Lkw als auch alle gastronomischen und sonstigen Einrichtungen auf einem Rastplatz mit Energie versorgt“, so Konermann.

Milence Hermsdorfer Kreuz

EnBW zögert noch

Während Milence und Eon bereits als Anbieter für LKW-Ladeparks aktiv sind, befindet sich EnBW noch in der Findungsphase. „Wir schauen uns derzeit strategisch an, ob und in welcher Form wir in das Geschäft einsteigen werden“, sagt Lars Walch, Vice President Sales der EnBW mobility+. Noch in diesem Jahr werden man zwei MCS-Prototypen-Ladeanschlüsse im Rahmen des Forschungsprojekts Hochleistungsladen an der A2 bei Bad Salzuflen installieren. Auch ein so genannter Combo-Hub an der A7 in Baden-Württemberg ist geplant. „Der Name verrät schon, hier sollen Lkw und Pkw laden, wobei wir getrennte Fahrspuren einrichten“, sagt Walch. 

Keine Grundstückserweiterungen geplant

Neben dem Netzanschluss ist Platz das zweite große Thema. Auf den Autobahnrastplätzen ist es eng. Daher tendiert Walch eher zu Ladeparks in Autobahnnähe, genau wie bei Pkw. Ein Rastplatz bietet meist nur Raum für vier bis acht Ladepunkte eines Betreibers. Die Ladeparks in Autobahnnähe werden mit 14 bis 20 Ladepunkten für Pkw ausgestattet und bieten meist Optionen für Erweiterungen. Zugmachinen plus Auflieger benötigen mehr Platz, der auf Autobahnraststätten selten gegeben ist. Eine Lösung: Die Gelände vergrößern. „Geländekauf ist in Deutschland ein schwieriger Prozess. Daher ist es wichtig, hier den langfristigen Platzbedarf zu ermitteln und entsprechende Flächen zu reservieren“, sagt Konermann. 

Geeignete Zufahrtssperren

Dabei geht es nicht nur um den Raum für die Ladesäulen. Die Ladeplätze benötigen Zufahrtssperren. „Wir denken über ein Reservierungssystem nach“, sagt Arjan van der Eijk, Geschäftsführer der Eon Drive Infrastructure. Der Lkw-Fahrer kann am Ende seiner Lenkzeit nicht weiterfahren, falls alle Ladepunkte belegt sind. „Wir müssen Lösungen entwickeln, um reservierte Ladeplätze zuverlässig freizuhalten“, so van der Eijk. Ein Hinweisschild oder die Energieabgabe ausschließlich nach Code-Eingabe wird Blockierer kaum abhalten, insbesondere wenn es sich um Lkw handelt, die keinen Parkplatz mehr für ihre Ruhezeit gefunden haben. Den Abschlepper für einen 40-Tonner zu rufen, ist keine Lösung, zumal keiner weiß, wohin man den Lkw schleppen soll. Bei Hardware-Lösungen wie beispielsweise Schranken, muss man möglichen Vandalismus im Hinterkopf behalten.

Position des Ladeanschluss„Zudem müssen wir schon bei der Reservierung wissen, von welchem Hersteller die Zugmaschine ist“, sagt van der Eijk. Der CCS-Anschluss liegt bei einem Hersteller links vorn, bei anderen rechts hinten. Das Rangieren will man aus Platzgründen vermeiden. Einfacher wird es erst mit dem MCS-Anschluss. Der Ladestandard sieht vor, dass der Anschluss auf der linken Fahrzeugseite, 2 bis 4,8 Meter hinter der vorderen Stoßstange auf Hüfthöhe liegt. Der Eon-Manager rechnet damit, dass erste MCS-Stationen Ende 2026, Anfang 2027 in den Serienbetrieb gehen. Er plädiert für ein kombiniertes Netzwerk aus öffentlichen Schnellladern in Autobahnnähe, Ladeanschlüssen in Depots und Logistik-Hubs, Destination-Lader an Häfen und weiteren Logistik-Zielen. „Wir arbeiten zudem mit Man zusammen und werden für den Aufbau öffentlicher Ladestationen deren Service-Standorte nutzen, die meist nicht weit von einer Autobahnausfahrt entfernt sind“, sagt Van der Eijk. Da wo es mit dem passenden Netzanschluss hapert, sind Batteriespeicher eine Option. „In dem Bereich sind die Preise für Batterien stark gesunken und bei uns steigt die Nachfrage nach Anschlüssen dieser Speicher an unser Netz rasant“, sagt Konermann 

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