
Während andere Hersteller – auch in Deutschland – beim autonomen Fahren weit vorn liegen, setzt Tesla bei seiner Robotaxi-Präsentation in Hollywood auf Show-Effekte.
Das war ein schöner Blick in die Zukunft, den Elon Musk da auf dem Warner-Brothers-Gelände entworfen hat. Autofahren ohne Lenkrad und Pedale (Level 5). Wann diese Robotaxis und Robobusse tatsächlich auf den Markt kommen, was sie kosten und technisch können, ist vollkommen nebensächlich. Elon ist ein Geschichtenerzähler, somit passt das Hollywood Studio perfekt.
Elon Musk erzählt seit Jahren, dass er voll automatisierte Fahrzeuge auf die Straße bringt. Andere Unternehmen haben beim automatisierten Fahren schon mehr Erfahrung, aber Musk macht es anders – und vor allem: Er ist ein Hingucker.
Beim Model 3 versprach er, Käufer könnten ihre monatliche Leasingrate damit finanzieren, das E-Auto an andere zu vermieten. Während man daheim oder im Büro sitzt, fährt das Model 3 eigenständig zum Mieter und kehrt ebenso zurück. Wie die Realität aussieht, ist sicher jedem bekannt.
Eine Treppe mit fünf Stufen
Autonomes Fahren erfordert endlose Testkilometer und ist ein langer Weg, eigentlich eher wie Treppensteigen. Darum hat der Autoingenieurverband SEA den Weg in fünf Level unterteilt. Die Einteilung interessiert den Tesla-CEO natürlich nicht. Er folgt seinem eigenen Weg.
Das gilt auch technisch. Während sich die globale Autowelt von Level 2 schrittweise weiter in Richtung Level 5 bewegt und dabei eine Kombination aus Lidar- und Radarsensoren sowie Kameras setzt, verfolgt Elon den “Vision Only”-Weg. Er will Autos nur mit Kameras autonom fahren lassen.
Natürlich hat er bereits eine Testflotte mit tausenden Autos auf den Straßen rund um den Globus, die seiner künstlichen Intelligenz Videoaufnahmen zur Auswertung zur Verfügung stellen. Die Arbeit läuft also im Hintergrund. Doch derzeit machen vor allem Funktionsabbrüche, Phantombremsungen und Beinahe-Crashs des Tesla Autopiloten Schlagzeilen.
Deutlich mehr Erfahrung beim automatisierten Fahren haben Unternehmen wie Cruise und Waymo.
Die Tesla-Konkurrenz ist bereits auf der Straße
Ihre Flotten sind bereits ohne Fahrer in mehreren Orten der USA unterwegs. Pläne für Europa sind von diesen Unternehmen nicht bekannt. Hier dürfte die Volkswagen-Tochter Moia am weitesten in der Entwicklung sein. In Hamburg drehen autonom fahrende ID.Buzz-Fahrzeuge ihre Runden. Zum Jahreswechsel sind Tests mit ausgewählten Nutzergruppen geplant.
Mithilfe von Mobileye und Volkswagen Nutzfahrzeuge will Moia seine autonomen Shuttles im Laufe des Jahres 2025 in der Hansestadt starten. Das Unternehmen hat ehrgeizige Pläne. Um im Verkehrsangebot eine sicht- und spürbare Veränderung zu erzielen, müssten mindestens 10.000 Moia-Fahrzeuge im Stadtgebiet unterwegs sein.
Für so viele Autos findet man keine Fahrer und aus wirtschaftlicher Sicht würde sich das mit menschlichen Fahrern nicht rechnen. Das funktioniert nur im Autonomiebetrieb. Moia will bis zum Ende des Jahrzehnts den Beweis für den VW-Konzern antreten, so dass die Shuttles zu einem deutschen Exportschlager werden.

Überholen mit einem Blick
Die deutschen Autohersteller bieten bislang Fahrassistenzfunktionen im Level 2, wobei viele vom Level 2 Plus sprechen. Das ist allerdings keine offizielle Einteilung der SEA.
Dazu gehört beispielsweise Blue Cruise von Ford oder der Assistent von BMW. Bei beiden Systemen kann man die Hände vom Lenkrad nehmen, muss aber die Augen geöffnet haben und zur Straße ausrichten. Bei BMW löst der Blick in den linken Außenspiegel einen Überholvorgang auf der Autobahn bis Tempo 135 km/h aus.
Mit Level 5 verschwindet das Lenkrad
Mercedes-Benz gehört zu den ersten Anbietern im Level 3. Der Drive Pilot wurde gerade vom Staupiloten mit maximal Tempo 60 auf Geschwindigkeiten bis 95 km/h auf der Autobahn aufgewertet. Ab dem Level 3 geht die Haftung bei Unfällen vom Fahrer auf den Fahrzeughersteller über. Somit ist das technisch ein großer Schritt. Man spricht auch vom hochautomatisierten Fahren.
Erst Level 4 ist vollautomatisiertes Fahren. Der Pkw hat dann noch Lenkrad und Pedale, weil der Fahrer nur streckenweise die Kontrolle an den Computer abgeben möchte. Erst mit Level 5 verschwinden Lenkrad und Pedal. Selbst in einem Notfall, könnte der Fahrer keinem Hindernis mehr ausweichen.
Übertrieben für private Pkw
In diesem Level geht es nicht nur darum, Hindernisse und Verkehrszeichen richtig zu erkennen. Dann muss die Technik auch die Insassen überwachen. Sind die Türen geschlossen und die Fahrt kann beginnen? Sind alle angeschnallt? Geht es allen gut oder liegt ein medizinischer Notfall vor? Diese Fahrzeuge werden extrem teuer sein. Ein sechsstelliges Preisschild bei einem Pkw dürfte eher Regel als Ausnahme sein.
Doch wie viele Interessenten werden sich als Privatauto ein Level 5-Fahrzeug anschaffen? Wenige. Diese Autos werden in gewerblichen Flotten betrieben. Sie müssen rund um die Uhr in Bewegung sein. Das hat auch Elon Musk erkannt, warum er in Kalifornien neben dem Robotaxi einen Robobus präsentiert.
Bei Elon muss man hingucken
Das ist smart. Ob Flügeltüren bei einem Auto mit laufend wechselnden Passagieren sinnvoll sind, die wenig Erfahrung mit derartiger Türöffnung haben, ist fraglich. Egal. Es geht um die Show.
Ob das Fahrzeug ab 2026 oder 2027 gebaut wird, interessiert auch nur die Tesla-Jünger. Die Jahreszahl spielt keine Rolle. Es geht darum, dass die Technologieentwicklung hin zum autonomen Fahren sowohl die notwendige Aufmerksamkeit als auch Akzeptanz in der Öffentlichkeit erhält. Da hilft jeder Elon-Auftritt. Wenn der schillerndste Unternehmer der USA etwas zeigt, schaut jeder hin.
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