Volvo EX90: Unten Thors Hammer, oben Laserlicht – Heise Autos

Volvo EX90

Mit dem EX90 bringt Volvo seinen größten SUV als E-Auto auf den Markt. Sicherheit ist das beherrschende Thema. In Sachen Fahrassistenz ermöglicht der Lidar-Sensor zukünftig weitere Assistenzfunktionen.

„Das sieht ja aus wie ein Taxischild“, lautet der Kommentar meines Mitfahrers. Gemeint ist der Lidar-Sensor im Volvo EX90, der mittig über der Windschutzscheibe sitzt. Vollständig verbergen konnten die Designer den Sensor nicht. Immerhin bildet er eine Linie mit dem Dach. Andere Hersteller verbergen diesen Sensor in der Frontpartie. Doch hier oben hat er freie Sicht und schickt das Laserlicht bis zu 250 Meter weit vor das Fahrzeug. 

Im Inneren erscheinen auf dem schmalen Fahrerdisplay (20,3 cm Diagonale) direkt nach dem Start erkannte Fahrzeuge, die sich vor und neben unserem EX90 bewegen. Dabei stammt die Darstellung der übrigen Verkehrsteilnehmer von den Kameras. „Noch sammelt der Lidar-Sensor nur Daten“, sagt der Volvo-Sprecher. Im Laufe des Jahres sorgt ein Update für die Freischaltung weiterer Assistenzfunktionen. Ob die zum Level 3 zählen, will der Sprecher nicht bestätigen. Volvo denke nicht in der Level-Einteilung, so seine Aussage. Aber es sei durchaus vorstellbar, dass der EX90 eine Art Stau- oder Autobahnassistent erhält. Im Lenkrad kann man im schwarzen Plastik bereits zwei Symbole erkennen, die man dann zum Aktivieren gleichzeitig drücken muss.

Ablenkung erkannt

Bei unserer Testrunde in Hamburg hilft uns nur der Pilot Assist. Bis Tempo 150 hält das E-Auto Abstand, das vorgegebene Tempo sowie die Spur. Geschwindigkeitsangaben werden von den Kameras präzise erkannt, die Anpassung ist allerdings Sache des Fahrers. Der Spurwechselassistent sollte eigentlich nach dem Blinken und antippen des Lenkrads selbstständig die Spur wechseln, was unser Testfahrzeug jedoch verweigert. Den Abstand zum Vorausfahrenden bestimmt das Fahrzeug in Abhängigkeit zum gefahrenen Tempo selbstständig. Je stärker der Fahrer abgelenkt ist, desto größer wird der Abstand. Infrarotkameras hinter Lenkrad und im Rahmen des großen Bildschirms (36,8 Diagonale) überwachen die Aufmerksamkeit des Fahrers. Sind die Augen zu lange beim Beifahrer und nicht auf der Straße, folgt es eine akustische und optische Warnung. 

Niemanden im Auto vergessen

In der Werbekampagne für den EX90 setzt Volvo auf das Thema Sicherheit. Der Hersteller nennt es Safe Space Technology. Bei Ablenkung bremst der Wagen eigenständig, wenn ein Hindernis, beispielsweise auf einem Zebrastreifen, erkannt wird. Dafür sorgen fünf Radare, acht Kameras und zwölf Ultraschallsensoren. Die Sensoren schauen nicht nur nach außen, sondern auch in den Innenraum. Wird ein Haustier oder ein Kind auf der Rückbank nach Verlassen des Fahrzeugs erkennt, ertönt eine Warnung und erscheint eine Meldung in der Fahrzeug-App. Hierzulande mag man über die Schusseligkeit der Menschen schmunzeln, doch in den USA ist der Hitzetod von Kindern ein großes Thema, dem jährlich eine vierstellige Zahl zum Opfer fällt.

Zwei Zentralrechner

Koordiniert werden die Daten der Sensoren von einem Nvidia-Chip. Volvo setzt hierbei das Konzept des Software Defined Vehicles um. Es gibt zwei getrennte Recheneinheiten im EX90: Eine für die sicherheitsrelevanten Funktionen, die andere für Motor, Bremsen, Batterie etc. Zusammen erledigen der Nvidia Xavier- und Orin-Chip 280 Teraflops, also 280 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde. Während früher vergleichbare Fahrzeuge über 100 separate Steuergeräte nutzte, bringt die Nutzung von zwei Zentralrechnern einige Vorteile: Man spart Gewicht bei Verkabelung und Steuergeräten. Die Latenzzeiten sind geringer und vernetzte Funktionen zwischen einzelnen Fahrzeugbereichen werden ermöglicht. Der größte Vorteil dürften die OTA-Updates sein. Vollkommen neue Funktionen lassen sich während der Fahrzeugnutzung freischalten.

Beim Wettbewerb abgeschaut

Ein Beispiel für ein Update ist die Freischaltung von Android Auto. Das dürfte auch noch im Laufe des Jahres kommen, während Apple Carplay bereits kabellos funktioniert. Im Infotainmentsystem nutzt Volvo ein Android-basiertes System mit Google Maps für die Navigation und den Assistenten für die Sprachsteuerung. Auf die Aussage „Mit ist kalt“, reagiert der Sprachassistent mit Kleidungstipps. Die Transferleistung, die Heizung hochzustellen wird nicht erbracht. Hier muss man deutlicher mit dem Assistenten kommunizieren. Auch die Fenster oder das Handschuhfach lassen sich nicht über einen Sprachbefehl öffnen. Bei den Fenstern ist es aus Sicherheitsgründen während der Fahrt nachvollziehbar. Beim Handschuhfach wäre es praktisch, denn es gibt keinen haptischen Knopf. Die Öffnung erfolgt über einen Menüpunkt auf dem Touchscreen. Das dürften sich die Entwickler bei Tesla abgeschaut haben, genau wie die Aktivierung des Fahrassistenten. Dazu drückt man den Gangwahlhebel, rechts hinter dem Lenkrad, nochmal herunter. Die beiden Stockhebel hinter dem Lenkrad, die Bildschirme und den Fensteröffner im EX90 werden Polestar 3-Fahrer direkt wiedererkennen. Der Fensterheber funktioniert wie in den ID-Modellen von VW. Es gibt nur zwei Fensterheber. Für den Wechsel zu den hinteren Fenstern muss man eine Schaltfläche drücken. 

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